Alexander Steig | KAMERA
Das künstlerisch-wissenschaftliche Projekt KAMERA mit einer temporären Skulptur im Außenraum und einer vierteilige Veranstaltungsreihe im Giesinger Bahnhof im Herbst 2017 und die 2019 folgende Publikation widmen sich dem Gedenken an die Zwangsarbeiterinnen des Giesinger Außenlagers Agfa-Kamerawerk des KZ-Dachau, die von 1944 bis kurz vor ihrer Befreiung am 30. April 1945 im Wohnhaus Weißenseestraße 7-15 interniert gewesen waren.
Forschungsgrundlage war und ist der Erinnerungsbericht „Die Welt war weiß" der niederländischen Kontoristin und Widerstandskämpferin Kiky Gerritsen-Heinsius (1921-1990), der in der ZEITKAPSEL nun erstmalig in Auszügen als Lesung von Anna-Isabel Lohner zu hören sein wird. Das 100-seitige Manuskript, dass das Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau beherbergt, schildert eindringlich und ausführlich die schwierigen Arbeitsbedingungen und das leidvolle Leben im Lager und in der Fabrik und konnte mit besonderer Unterstützung von Jan van Ommen, dessen Mutter Renny van Ommen ebenfalls interniert gewesen war (https://www.vanommenverzet.eu/) übersetzt und publiziert werden (Alexander Steig (Hg.): Kamera - Ein künstlerisch-wissenschaftliches Projekt zum Außenlager Agfa-Kamerawerk in München-Giesing 1944-45, mit einem Erinnerungsbericht von Kiky Gerritsen-Heinsius, München 2019).
Hintergrund des Projektes KAMERA bildete damals Alexander Steigs Recherche zu Thema Zwangsarbeit bei dem zu IG-Farben gehörenden Münchner Agfa-Werk in Giesing bzw. dem Außenlager Agfa-Kommando des KZ-Dachau; hier richtete er den Blick auf die Gruppe der etwa 700 Zwangsarbeiterinnen (politische Gefangene aus den Niederlanden und Frauen aus Osteuropa – hier mehrheitlich Polinnen, die als Vergeltungsmaßnahme des Warschauer Aufstandes verschleppt wurden); etwa 500 dieser Frauen arbeiteten im benachbarten „Agfa-Camerawerk" als Zwangsarbeiterinnen für die Rüstungsindustrie des NS-Staates; neben Zeitzündern und Zielfernrohren wurden Bauteile für die „Vergeltungswaffe" V1 und V2 hergestellt. Auch wenn Agfa eine Einlage in die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" beisteuerte, schien es Steig geboten, durch eine künstlerische Intervention am ehemaligen Lager auf die tragische Besonderheit des Ortes hinzuweisen. Das heutige Wohnhaus verrät nichts über seine Vergangenheit. Der Bau des Wohnblocks wurde aufgrund von Bombenschäden unterbrochen – im Rohbau diente er der Internierung der Gefangenen. Um 1949 wurde der Bau dann fertig gestellt. Kiky Heinsius schildert, dass sie im Block linkerseits (heute Haus Nr. 7) interniert gewesen war. Das Lager selbst besaß eine Stacheldrahtumzäunung und vier Wachhäuser und war von der Straße aus einsehbar...
"Einen Teil des Gebäudes samt einem dazugehörigen Hof hatte man notdürftig mit Stacheldraht abgetrennt." *
"Um das Lager herum gab es keine Mauer, so dass jeder, der vorbeilief, durch den Stacheldraht beobachten konnte, was sich bei uns abspielte."**
*Ella Lingens: Gefangene der Angst, Wien 2003, S. 296.
**Kiky Gerritsen-Heinsius: Die Welt war weiß. In: Alexander Steig (Hg.): Kamera - Ein künstlerisch-wissenschaftliches Projekt zum Außenlager Agfa-Kamerawerk in München-Giesing 1944-45, mit einem Erinnerungsbericht von Kiky Gerritsen Heinsius, München 2019, S. 126.
Erinnerungsbericht „Die Welt war weiß" der niederländischen Kontoristin und Widerstandskämpferin Kiky Gerritsen-Heinsius (1921-1990), in Auszügen eingelesen von Anna-Isabel Lohner.
Begleitende Veranstaltung am Sonntag, den 4. Juni 2023 um 17:00 Uhr. Treffpunkt: Weißenseestraße 7, 81
Vom Lager zur Arbeitsstätte
Öffentlicher Gedenkgang zur Erinnerung an die Zwangsarbeiterinnen der Agfa-Kamerawerke von der Weißenseestraße 7 zum Ella-Lingens-Platz, München-Giesing.
- ZeitintervallVergangenheit
- FormatKünstlerisch-wissenschaftliches Projekt
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- Gefördert vonder Stiftung Kunstfonds im Rahmen des Sonderförderprogramms NEUSTARTplus